muetzenfalterin<p><strong>(21)</strong></p><p><span><span>Menschen werden erschossen, während sie versuchen an Lebensmittel zu kommen. Wie kann ich nach einer derartigen Nachricht weiterschreiben? Aber weder die Nachrichten noch das Leben hören auf nach so einer </span></span><span><span>Information</span></span><span><span>. Alles geht weiter. Die Hitze geht weiter. Die Ignoranz geht weiter. Die Abschottung geht weiter. Jeder gegen jeden. America first. Germany first. Poland first. Nava Ebrahimi erwähnt in ihrer <a href="https://bachmannpreis.orf.at/stories/3308105/" rel="nofollow noopener" target="_blank">Rede</a> zu den diesjährigen Bachmanntagen, dass </span></span><span><span>wir dem Sog der Alternativlosigkeit erliegen, dass das vielleicht das Ziel derjenigen ist, die die Welt mit aller Macht in den Abgrund treiben. Dass sie aber schreibend herausfinden will, dass vielleicht doch nicht </span></span><span><span><span>alles hoffnungslos ist. </span></span></span><span><span><span>Und dann erzählt sie von einer Begegnung, bei der sie und ihre Gegenüber über den Schmerz geredet haben. Nein, es reicht nicht über den </span></span></span><span><span><span>Schmerz </span></span></span><span><span><span>zu </span></span></span><span><span><span>reden, aber es ist ein Anfang. Eine Stunde nur über den Schmerz miteinander reden. </span></span></span><span><span><span>Lernen, ihn auszudrücken. Auf diese Weise kann ich, können wir vielleicht alle, das Hinnehmen der Realität (die scheinbar, aber eben wirklich nur scheinbar! alternativlos ist) überwinden. Indem wir im ersten Schritt einander unsere Wunden zeigen. </span></span></span><span><span><span>Obwohl davor der Schritt liegt, </span></span></span><span><span><span>sich selbst die eigenen Wunden </span></span></span><span><span><span>einzugestehen. </span></span></span><span><span><span>Das alles habe ich nicht gelernt. Ich habe vielmehr gelernt, über Verletzungen und Wunden hinweg zu gehen, weiter zu machen, zu funktionieren. Dabei hat es damals, </span></span></span><span><span><span>also in meiner Kindheit,</span></span></span><span><span><span> schon Interventionen gegeben. Sie kamen immer zuerst aus der Kunst. Sie kamen von Beuys und seiner Installation</span></span></span><a href="http://www.inger.de/verbindungen/unterkuenfte/beuys/" rel="nofollow noopener" target="_blank"><i> </i><span><span><span><i>Zeige</i></span></span></span></a><span><span><span><i> deine Wunde.</i></span></span></span> <span><span><span>Der Titel, erfahre ich bei der Recherche, geht auf einen Satz zurück, den Christus angeblich zum ungläubigen Thomas sagt: „</span></span></span><span><span><span>Re</span></span></span><span><span><span>iche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite.“ Die Wunde könnte man schlussfolgern, fungiert als Schnittstelle zwischen Zweifel und Glaube, zwischen Schmerz und Heilung. Aber zunächst ist da nur dieser Titel und das </span></span></span><span><span><span>Vorhandensein der Gegenstände: </span></span></span><span><span><span>Zwei</span></span></span><span><span><span> Leich</span></span></span><span><span><span>en</span></span></span><span><span><span>bahren, </span></span></span><span><span><span>zwei</span></span></span><span><span><span> Schränke, </span></span></span><span><span><span>zwei</span></span></span><span><span><span> Filmprojektoren, </span></span></span><span><span><span>einige </span></span></span><span><span><span>Gartengeräte. </span></span></span><span><span><span>Beuys stellt diese Installation zwischen 1974 und 1975 aus. Ich bin damals acht Jahre alt und weiß nichts von dieser Installation oder von Beuys. Die Erwachsenen um mich herum sind so sehr mit ihren eigenen Wunden beschäftigt, damit sie zu verbergen, trotz dieser Wunden weiter zu funktionieren, dass sich niemand mit diesem Kunstwerk auseinander setzen würde, selbst wenn sie davon Kenntnis hätten. Und das wirklich Tragische ist vielleicht, dass jetzt, 50 Jahre später, keine Entwicklung stattgefunden hat, keine nennenswerte </span></span></span><span><span><span>Veränderung</span></span></span><span><span><span>. </span></span></span></p><p><span><span><span>H</span></span></span><span><span><span>eute, wo um uns herum so viel Leid herrscht, immer neue Krisenherde ausbrechen, immer mehr Leid entsteht und durchaus sichtbar ist, fehlt uns vielleicht mehr denn je die Bereitschaft, uns unsere Wunden zu zeigen. Zu realisieren wie verletzlich wir sind, aber auch wie verwundet. Damit wir vor diesem Hintergrund vielleicht begreifen könnten, dass allein Solidarität, Verbindung und Zusammenhalt uns mit dieser Fragilität weiterleben lässt, als Menschen, als empathische Wesen, die nicht aufgeben, sondern gemeinsam nach einer Lösung suchen. Trotz allem, allem zum Trotz. Den schrecklichen Nachrichten zum Trotz. Der Abschottung zum Trotz. Den fehllaufenden Regierungen zum Trotz. </span></span></span></p><p><a rel="nofollow noopener" class="hashtag u-tag u-category" href="https://muetzenfalterin.blogda.ch/tag/joseph-beuys/" target="_blank">#JosephBeuys</a> <a rel="nofollow noopener" class="hashtag u-tag u-category" href="https://muetzenfalterin.blogda.ch/tag/nava-ebrahimi/" target="_blank">#NavaEbrahimi</a> <a rel="nofollow noopener" class="hashtag u-tag u-category" href="https://muetzenfalterin.blogda.ch/tag/zeige-deine-wunde/" target="_blank">#ZeigeDeineWunde</a></p>